Reutlinger Nachrichten: PETER ANDEL

Bürgerbegehren / Über 10 000 Unterschriften
Sondersitzung des Rats notwendig

PAN

Reutlingen Über 10 000 Unterschriften hat der Initiator für ein Bürgerbegehren in Sachen Kultur- und Kongresszentrum, Dr. Werner Felix Schobel, gestern Oberbürgermeister Dr. Stefan Schultes übergeben. "Respekt" sagte der OB, das Bürgerbegehren sei ja ein "legitimes und reguläres" Mittel in der Kommunalpolitik, das die Verwaltung entsprechend der Bedeutung des Projekts auch durchführen werde, auch wenn die Fragen von der Begründung her eher negativ formuliert seien. Die Stadt und grosse Teile des Rats hätten dazu eine andere Haltung. Die gesetzlich vorgeschriebene Informations- und Darlegungspflicht kollidiere aber mit der Ferienzeit. Der Zeitkorridor sei eng, um den 22. September als Wahltermin einzuhalten. Da seien die Gremien gefordert. Über den Sommer liegen lassen könne man das nicht, sagte der OB und räumte indirekt ein, dass es eine Sondersitzung es Rats im August geben wird. Dies hatten auch 11 Räte unter der Federführung von Jo Schempp (SPD) beantragt.

 

Erscheinungsdatum: Donnerstag 25.07.2002

 

Reutlinger Nachrichten: PETER ANDEL

KULTUR- UND KONGRESSZENTRUM / Reutlinger sind gefragt: Bauen oder nicht
bauen?

Initiatoren starten Bürgerbegehren
Bereits 1150 Unterschriften - Schobel und Wüst-Knopki: Lieber spät als gar nicht


Soll das geplante Kultur- und Kongresszentrum gebaut werden? Diese Frage
sollen die Reutlinger entscheiden, meinen die Initiatoren für ein
Bürgerbegehren und haben bereits 1150 Unterschriften gesammelt.

Initiator des Bürgerbegehrens Dr.
Werner Felix Schobel.

Das Gelände für das Kultur- und
Kongresszentrum: Jetzt läuft ein
Bürgerbegehren, ob die Reutlinger
das KKR auch wirklich wollen. FOTO:
arc



REUTLINGEN Als der Gemeinderat im Mai an die Feinplanung des Kultur- und
Kongresszentrums ging und gleichzeitig den Antrag auf einen Bürgerentscheid
abschmetterte, sagte sich der 47-jährige Molekularbiologe Dr. Werner Felix
Schobel: "Das kann nicht sein, wenn der Rat keinen Bürgerentscheid einleitet,
dann ich." In dem 43-jährigen "Ringelbach"-Gastronomen Horst Wüst-Knopki
fand er jemand, der ähnlich dachte. Und so entschied das nicht parteipolitisch
gebundene Duo: Lieber spät als gar nicht.

Sie initiierten ein Bürgerbegehren, fertigten eine Liste an und hatten beim
Stadtfest gleich Erfolg. "98 Prozent der Angesprochenen haben
unterschrieben", frohlockte Schobel. Inzwischen sind bis dato 1150
Unterschriften eingegangen. Schobel und Wüst-Knopki sind zuversichtlich,
dass sie die erforderlichen 7900 Unterschriften bekommen, die für ein
Bürgerbegehren nötig sind, setzen sich aber das Ziel, 10 000, um die
etwaigen ungültigen Stimmen auszusieben.

Das Duo hat den Abstimmungstext dem städtischen Rechtsamtsleiter Dr.
Hans-Ulrich Stühler vorgelegt, der gegen die Formulierung nichts einzuwenden
gehabt habe. Aber es gibt keine Rechtssicherheit, auch nicht von höherer
Stelle. Die Frage ist, handelt es sich hier um ein "initiierendes" oder ein
"kassierendes" Bürgerbegehren? Letzteres würde sich auf einen Baubeschluss
des Rates beziehen, der aber erst im Herbst gefass werden soll, und
unterläge einer Vier-Wochen-Frist. Da Schobel und Wüst-Knopki sich aber auf
die Planung des KKR beziehen, gehen sie von einem "initiierenden
Bürgerbegehren" aus, das keine solche Frist vorsieht, womit mehr Zeit bliebe,
die notwendigen Unterschriften zu sammeln.

Schobel, der mit seinem Bruder in Öschingen eine Internetberatungsfirma
betreibt, hat, mangels Kapazität und Manpower, keine großartigen Aktionen
mit Ständen auf dem Marktplatz geplant. Er hofft auf Mundpropaganda, die
Weitergabe im privaten Umfeld sowie auf E-Mail-Aktionen. Die Listen liegen
übriges in in einigen Gaststätten und Gewerbebetrieben aus.

Einen prominenten Mitstreiter haben die Initiatoren schon gefunden:
SPD-Stadtrat Johannes Schempp, der im Gegensatz zum Großteil seiner
Fraktion eine Kehrtwendung vollzogen hat und nun entschieden gegen das
KKR eintritt. Der Stadtförster versucht, einen Stand am Marktplatz zu
organisieren. Des Weiteren sollen Aktionen im Freibad anlaufen.

Unterstützer sind Schobel und Wüst-Knopki willkommen, wenn eine Partei
oder Gruppierung auf den "Zug" aufspringen will, sei das in Ordnung, aber
"wir lassen uns nicht vereinnahmen".

Ziel der Initiatoren ist es, den Bürger - auch aus Kostengründen - am
Wahltag 22. September, neben dem Kanzler auch über das KKR abstimmen
zu lassen. Allerdings: Der Gemeinderat bestimmt, ob es einen
Bürgerentscheid gibt. Und er setzt auch den Termin fest.

INFO

Informationen zum Bürgerbegehren gibt Dr. Werner Felix Schobel,
Gustav-Schwab-Straße 4, und Horst Wüst-Knopki, Burgstraße 94; E-Mail:
wfschobel@computerdns.de.



Erscheinungsdatum: Freitag 14.06.2002

 

KOMMENTAR: Volkes Stimme

PETER ANDEL


Anfangs hatte der Gemeinderat nicht an einen Bürgerentscheid gedacht, weil
er der beim Bürger nicht explizit nachgefragten und dennoch felsenfesten
Auffassung war, die Reutlinger wollen das Kultur- und Kongresszentrum.
Später, als die Sache planerisch und auch geldwert ziemlich weit
vorangeschritten war, regten sich erste Zweifel, bekam ein Teil der Gewählten
ob der immensen Kosten kalte Füße. Die Schultern zuckten, die
Verantwortung könne vielleicht doch auf den Bürger abgeladen werden, solle
der doch entscheiden, so die Zielrichtung von SPD und Grünen einschließlich
des Liberalen Hagen Kluck. Daraus wurde nichts. Und das ist gut so.

Denn umgekehrt wird ein Schuh draus. Wenn der Bürger das
Kongresszentrum nicht will, dann muss die Initiative von ihm aus gehen. Das
ist jetzt passiert. Dr. Werner Felix Schobel und Horst Wüst-Knopki trommeln
und wollen 10 000 Unterschriften für ein Bürgerbegehren zusammentragen.
Wenn das klappt, wäre der Gemeinderat gut beraten, dieses Votum als
aktiven Ausdruck des Willens zu akzeptieren und daraus den logischen
Schluss zu ziehen, einen Bürgerentscheid einzuleiten.